
Hydrocephalus
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Krankheitsbild Hydrocephalus
Aus unterschiedlichsten Gründen kann es schon während der Schwangerschaft oder – mit abnehmender Wahrscheinlichkeit – zu jedem späteren Zeitpunkt zu einer Störung des Gleichgewichts der Produktion und des Abtransports von Flüssigkeit in Kopf und Wirbelkanal kommen. Die zahlreichen Funktionen dieser Flüssigkeit wie z.B. der Druckausgleich, die Abpolsterung gegen harte Stöße und die Regulierung bestimmter biochemischer Austauschvorgänge sind dann beeinträchtigt und können Symptome hervorrufen. Diese Symptome ändern sich im Laufe des Alters und der neurologischen Entwicklung eines Kindes. Bei rasch zunehmender Flüssigkeit sind sie häufig Ausdruck einer Drucksteigerung und können über Kopfschmerzen und Erbrechen zu Benommenheit oder sogar zur Bewusstseinstrübung führen. Im Babyalter wird eine Druckerhöhung noch durch das Auseinanderweichen der elastisch verbundenen Schädelknochen ausgeglichen und zeigt sich im zu raschen Kopfwachstum. Das Sehvermögen kann bei leichteren, aber länger dauernden Druckerhöhungen auch ohne auffällige Kopfschmerzen beeinträchtigt werden. Beginnende Veränderungen der druckempfindlichen Sehnerven können vom erfahrenen Augenarzt im Augenhintergrund festgestellt werden.

Mit der Erfindung der ventilgeregelten Wasserableitung nahm die Therapie des Hydrocephalus erst in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts eine positive Wendung. Heute bestehen gute Aussichten, bei rechtzeitiger Therapie und enger Überwachung die intellektuellen und motorischen Fähigkeiten, die ein Kind mit auf die Welt bringt zu erhalten.
Aktuell verwenden wir bei der Therapie mittels eines Liquorshunts (ventrikulo-peritoneal [Abb. 1] oder ventrikulo-atrial) hauptsächlich schwerkraftassistierte Ventile, die in seinen Eigenschaften den natürlichen Drainageverhältnissen nahe kommt. Trotz aller technischer Fortschritte müssen Shuntsysteme gelegentlich wegen einer Funktionsstörung in einer weiteren Operation teilweise oder ganz ausgetauscht werden. In den meisten Fällen können verstellbare Ventile kombiniert mit Antisiphonmechanismen zum Einsatz gebracht werden, um erneute Operationen bei Über- oder Unterdrainagen zu vermeiden und stattdessen eine Ventilumstellung vorzunehmen. Genauso gilt es, während der Operation das Risiko für Shuntinfektionen konsequent zu bekämpfen. Dies ist durch ein striktes antiseptisches Operationsprotokoll sowie durch den Einsatz von antibiotikaimprägnierter Schlauchsysteme möglich. Wenn ein mechanisches Abflusshindernis in den engeren Liquorkanälen vorliegt, kann der Durchfluss durch einen kleinen endoskopischen Eingriff wieder eröffnet oder das Hindernis umgangen werden.
Ventrikulozisternostomie (endoskopische Ventrikulostomie)



Die so genannte Ventrikelzisternostomie ist die am häufigsten durchgeführte endoskopische Operation zur Behandlung des Hydrocephalus. Die typische Indikation hierfür ist die Aquaeduktstenose sowie ein Verschluss der Abflusswege am Ausgang des vierten Ventrikels (Abb. 2). Ursächlich hierfür können die Veränderungen nach Blutungen im Ventrikelsystem oder Infektionen sein. Des Weiteren kann auch ein Abflusshindernis durch einen Tumor vorliegen. Sehr selten ist eine erbliche Erkrankung Ursache der Aquaeduktstenose (Bickers-Adams-Syndrom). Bei diesen Voraussetzungen liegt jeweils eine Abflussstörung von den inneren zu den äußeren Liquorräumen vor. Ziel der Ventrikulozisternostomie ist es, einen Umgehungskreislauf zu schaffen und damit den Abfluss des Nervenwassers in die äußeren Liquorräume in den Subarachnoidalraum zu ermöglichen.
Für die Durchführung einer Ventrikulozisternostomie ist die Verwendung eines Endoskops notwendig, bei dem zusätzlich zu einem optischen Kanal ein Arbeitskanal zur Einführung von chirurgischen Instrumenten vorliegt. Darüber hinaus sollten zwei weitere Kanäle zur kontinuierlichen Spülung und zum Abfluss vorliegen. Bei dem operativen Eingriff wird typischerweise ein rechts frontaler Schnitt und nach Darstellung des Knochens ein Bohrloch in der Schädelkalotte angelegt. Die harte Hirnhaut wird eingeschnitten und die Kortexoberfläche dargestellt. Nachdem eine kleine Eröffnung in der Oberfläche des Gewebes geschaffen wurde, wird das Endoskop rechtwinklig zur Oberfläche eingebracht und damit der Seitenvenrikel in der rechten Hemisphäre des Gehirns punktiert. Es stellt sich dem Operateur nun durch die optische Einheit die mittleren Anteile des Seitenventrikels mit dem Plexus choroideus und dem Foramen monroi dar, welches die Verbindung zum dritten Ventrikel ermöglicht (Abb. 3). Hier wird die Spitze des Endoskops eingebracht, sodass nun der Einblick auf den Boden des dritten Ventrikels möglich ist. Dieser wird durch die anatomischen Landmarken der so genannten Corpora mamillaria und dem Infundibulum begrenzt (Abb. 4). Es kann jetzt ein stumpfes Instrument durch den Arbeitskanal eingebracht werden, welches soweit vorgeschoben wird bis eine Perforation des Bodens möglich ist. Das Instrument wird entfernt und es wird ein so genannter Fogarty-Katheter eingebracht, welcher am Ende einen aufblasbaren Ballon mit einem Durchmesser von circa 5 Millimeter beinhaltet. Hiermit kann die geschaffene Öffnung erweitert werden. Der Katheter wird nun entfernt und das Endoskop wird nach Kontrolle der erfolgreichen Perforation ohne Anzeichen einer Blutung aus den Venrikeln vorsichtig zurückgezogen. Die Eröffnung der harten Hirnhaut wird verschlossen und die Haut in zwei Schichten vernäht. Durch diesen Eingriff ist nun ein Umgehungskreislauf des Liquors geschaffen worden, bei dem ein direkter Durchfluss von den Seitenventrikeln über den dritten Ventrikel in den Subarachnoidalraum möglich ist. Der Verschluss auf Höhe des Aquaedukts oder des Ausgangs vom vierten Ventrikel ist damit umgangen.
Die Erfolgsrate dieses Eingriffs liegt im Allgemeinen bei ca. 80 Prozent. Bei dem erfolgreichen Eingriff erübrigt sich die Implantation eines Fremdkörpers, im Sinne eines ventrikulo-peritonealen Shunts, welcher bekanntermaßen im Langzeitverlauf diverse Komplikationen mit sich bringen kann. Eine relative Indikation für die Ventrikulozisternostomie ist in diesem Zusammenhang der Verschlusshydrocephalus bei Kindern im ersten Lebensjahr, da bei ihnen die Erfolgquote dieser Therapie nur bei 20 bis 30 Prozent liegt.
Es darf nicht unerwähnt bleiben, dass ein solcher Eingriff auch mit Komplikationsmöglichkeiten verbunden ist. Neben den allgemeinen Risiken wie Wundheilungsstörungen, Infektionen oder Liquorfistel, besteht vor allem die Gefahr einer Nachblutung über die der Patient aufgeklärt werden muss. Nicht zuletzt deshalb, weil sich unterhalb des Bodens vom dritten Ventrikel eine bedeutende Schlagader des Gehirns, die sogenannte Arteria basilaris, befindet, die in keinem Fall verletzt werden darf. Eine ausreichende Erfahrung zur Durchführung dieses Eingriffs ist aus diesem Grund notwendig.
Die Ventrikulozisternostomie ist inzwischen ein Verfahren mit häufiger Anwendung geworden, welches mit entsprechender Erfahrung eine sehr geringe Komplikationsrate besitzt. Eine weitere Betreuung der Patienten ist aber auch ohne Shunt notwendig, da ähnlich wie bei einem Shunt eine Insuffizienz im Sinne eines Verschlusses der Eröffnung auftreten kann. Dieser Fall ist jedoch im Vergleich zu einem Shunt vergleichsweise deutlich geringer einzustufen.
Aquaeduktoplastie
Im Rahmen der Hydrocephalus-Therapie werden weitere Operationen, wie zum Beispiel die Aqueduktoplastie durchgeführt. Hierbei handelt es sich um die Erweiterung des Liquorkanals zwischen dem dritten und vierten Ventrikel. Der Eingriff ist mit äußerster Vorsicht durchzuführen, weil sich der Aquaedukt im Bereich des Hirnstamms befinden, in dem unter anderem die Augenbewegungen und die Wachheit des Patienten gesteuert werden. Daher gibt es nur eingeschränkte Indikationen zur Durchführung dieses Eingriffs, und zwar die Isolation des vierten Ventrikels, bei der der Aquaedukt nur kurzstreckig verschlossen ist. Das heißt der vierte Ventrikel ist von dem Liquorkreislauf ausgeschlossen und durch die trotzdem auch hier stattfindende Liquorproduktion kommt es zu einer Aufweitung des Ventrikels und damit zur Kompression des Hirnstamms und des Kleinhirns. Die Therapie besteht darin, durch Eröffnung des Aquaedukts die Zirkulation des Liquors zu ermöglichen. Der Ausfluss aus den internen Liquorräumen wird dann entweder über die Kombination mit einer Ventrikulozisternostomie oder mit einem ventrikulo-peritonelaem Shunt erreicht. Technisch wird der Eingriff ähnlich wie bei der Ventrikulozisternostomie durchgeführt. Die Bohrlochlokalisation erfolgt jedoch etwas weiter frontal und bei der Inspektion des dritten Ventrikels orientiert man sich an der Anatomie im hinteren Anteil, der trichterförmig in den Aquaedukt mündet. Mit einem Katheter kann nun der kurzstreckige Verschluss eröffnet werden. Es muss intraoperativ entschieden werden ob zur Aufrechterhaltung der Eröffnung ein Ventrikelkatheter als so genannter Stent belassen werden muss. Damit wird eine erneute Verwachsung verhindert. Dieser Stent wird entweder an einen Shunt oder an ein Rikhamreservoir im Bereich der Schädelkalotte fixiert, damit eine ungewollte Verlagerung verhindert werden kann. Die Alternative zu diesem Eingriff ist entweder die Perforation des vierten Ventrikels von außen durch einen Ventrikelkatheter und der gleichzeitige Anschluss dieses Katheters an einen Shunt oder die Schädeleröffnung im Bereche des Übergangs zwischen Kleinhirn und Halswirbelsäule, um in mikroskoischer Technik die Eröffnung der Ausgänge des vierten Ventrikels zu ermöglichen. Vor allem der letztere Eingriff ist einerseits sehr aufwendig und andererseits nicht bei jedem Patienten möglich.
Computergestützte Endoskopie


Sollte bei einem Hydrocephalus einerseits eine interne Abflussstörung einzelner Ventrikelkompartimente in Zusammenhang mit einer anatomischen Unregelmässigkeit des Liquorsystems vorliegen, kann die Kombination der Endoskopie mit einem so genannten Navigationssystem sehr hilfreich sein. An der Charité hat das Team der Kinderneurochirurgie in den vergangenen Jahren vermehrt diese Methode bei Kindern angewendet. Es soll hierbei die Situation vermieden werden, dass aufgrund fehlender anatomischer Landmarken die Orientierung in den Liquorräumen nicht mehr möglich ist. Das hierbei verwendete Navigationssystem ist ein Computer, der die vor der Operation angefertigten Bilddaten einspeichert. Auf dem Patienten werden zusätzlich Marker auf die Haut geklebt, die auch in den MRT-Bildern sichtbar sind. Dadurch kann im Operationssaal mit Hilfe einer Infrarotkamera die Position des Patientenkopfs im Raum lokalisiert werden (Abb. 5). Die Kamera erkennt ebenfalls bestimmte Instrumente, sowie auch das Endoskop wenn es mit Markern versehen ist (Abb. 6). Ähnlich wie bei dem Navigationssystem im Auto, kann dabei die Position des Endoskops im Kopf, anhand der MRT-Daten, die quasi als Landkarte dienen, dem Operateur mitgeteilt werden. Eine verbesserte Orientierung ist hiermit möglich.
Als Problem stellt sich jedoch teilweise dar, wenn es zu einem zu großem Liquorverlust während der Operation kommen sollte, dass die Bilddaten, die vor der Operation durchgeführt worden sind, mit der intraoperativen Situation nicht mehr übereinstimmen. Das muss kontinuierlich durch den Operateur überprüft werden. Die Situation kann aber auch durch kontinuierlichen Ausgleich des Flüssigkeitsverlusts im Sinne einer Spülung mit entsprechendem Ablauf verbessert werden.
Ziel der dieser Operationstechnik ist es, bei komplizierten anatomischen Situationen im Rahmen des Hydrocephalus möglichst einfache Ableitungssysteme zur ermöglichen. Das heißt die Liquordrainage durch einen Shunt soll entweder vermieden werden oder durch möglichst wenige Katheter gewährleistet werden. Einerseits soll damit die langfristige Komplikationsrate durch zum Beispiel Obstruktionen verringert werden und andererseits und soll es bei notwendigen Revisionsoperationen die Diagnose der Fehlfunktion erleichtern.
Man muss auch erwähnen, dass dieses Verfahren mit einem hohen technischen Aufwand verbunden ist und glücklicherweise nur bei wenigen Patienten notwendig ist. Aber gerade die schwerwiegenden Fälle können hiermit eine deutliche Verbesserung in der Behandlung erlangen.
Zusammenfassung
Der Hydrocephalus wird in der Regel mit einem Nervenwassershunt therapiert, wenn trotz erweiterter Liquoräume diese miteinander in Kommunikation stehen. Die Endoskopie wird in erster Linie bei einer internen Abflussstörung des Nervenwassers eingesetzt. Am häufigsten wird die Ventrikulzisternostomie durchgeführt, bei der der Abfluss des Liquors aus den internen Liquorräumen in den Subarachnoidalraum durch die Eröffnung des Bodens vom dritten Ventrikel ermöglicht wird. Andere Verfahren wie die Aquaeduktoplastie oder die navigierte Endoskopie können bei speziellen Indikationen eine Verbesserung der Behandlung des Hydrocephalus ermöglichen. Insgesamt ist die Endoskopie als Zusatzverfahren zur Behandlung des Hydrocephalus heutzutage nicht mehr wegzudenken.